Warum braucht das Bildungswesen Freiheit – Das kommt ganz auf den Blickwinkel an!

Sehe ich das Bildungswesen als Instrument an zur Formung der Menschen im Sinne einer bestimmten Ideologie, der Anpassung an die Gesellschaft, der Vorbereitung auf das Arbeitsleben etc.? Hier ist Freiheit im Bildungswesen nicht gewollt, sondern wird als Störung empfunden. Das ist seit langem eine gängige Auffassung. So haben alle Herrschaftsformen, sowohl die Konservativen als auch die sozialistischen oder kommunistischen aber auch die reaktionären Revolutionäre immer danach gestrebt, gerade das Bildungswesen in ihre Hand zu bekommen, um es nach ihren Zielen zu gestalten. Auch heute noch sind viele Lehrpläne, Curricula etc. an solchen Zielen orientiert. Auch in der Presse ist immer wieder zu lesen, dass die Kinder und Jugendlichen, inzwischen aber auch die Erwachsenen mit lebenslangem Lernen möglichst optimal auf die Anforderungen der Wirtschaft vorbereitet oder umgeschult werden sollen. Damit ist jeweils auch das Ziel einer Weiterentwicklung der Gesellschaft im Sinne dieser Systeme angestrebt. Dahinter steht das Menschenbild einer durch diese Sozialisation und die äußeren Bedingungen bestimmten menschlichen Entwicklung, in dem die Freiheit vor allem für den Konsum gebraucht wird. Der Mensch ist in diesem Menschenbild egoistisch (homo oeconomicus), machtgierig, in Konkurrenz, seinen Trieben ausgeliefert, bequem, faul… – und muss zu seinem Glück gezwungen werden. 

Ganz anders sieht es aus, wenn ich das Bildungswesen als Bereich ansehe, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihre individuellen Potenziale möglichst gut und umfassend entfalten können sollen. Warum sollte das ein Ziel sein? Zum einen kann man das mit dem weitverbreiteten Wunsch nach Entfaltung der individuellen Persönlichkeit begründen, zum anderen aber auch mit dem Ziel einer am Menschen orientierten, von wirtschaftlichen und ideologischen Interessen unabhängigen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.

Die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass die wesentlichen kulturellen und menschlichen Fortschritte nicht durch eine Fortführung und Optimierung bestehender Systeme und Tendenzen entstanden sind, sondern durch ganz neue Denkansätze, die meist in ihren Anfängen vehement bekämpft wurden. Diese neuen Denker waren in gewissem Sinne „Systemsprenger“ – nicht in äußerlicher Art, aber in der Art über die bestehenden Systemgrenzen hinaus zu denken.

Dahinter steht das Menschenbild einer fortwährenden Bewusstseinsentwicklung, die zu immer mehr Menschlichkeit in der menschlichen Gemeinschaft führen kann. Es sieht in dem Menschen Potenziale zur gegenseitigen Hilfe, zur Selbstlosigkeit, zur Wahrheitssuche… Es gründet sich auf das Vertrauen in die Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung der einzelnen Persönlichkeit. Diese Bewusstseinsentwicklung kann nur von Individuen geleistet werden, die in einem möglichst freien Bildungswesen ihre Potenziale entfalten können. 

Verständlicherweise versuchen alle herrschenden Systeme der unterschiedlichsten Ausrichtungen gerade diese letztgenannte Entwicklung zu unterbinden, indem sie die Freiheit im Bildungswesen immer weiter einschränken bis hin zur Normierung und Standardisierung, um alles bestimmbar, lenkbar, vergleichbar und überprüfbar zu machen. Hier liegt ein Misstrauen gegen alle Abweichungen zugrunde, die als Gefahr für die Systeme angesehen werden.

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